Eines vorweg: Ich bin nicht der größte Tag Heuer Fan! Umso unwahrscheinlicher ist es bisher gewesen, dass mich diese Marke einmal so richtig vom Hocker haut. Mit dem Carrera Chronographen Glassbox ist genau das jetzt passiert. Nicht ohne Grund, denn Tag Heuer korrigiert bei dieser Uhr zwei Fehler, die sich bei so manch anderen Modellen in der Vergangenheit als Dealbreaker erwiesen haben.
Als verlässlicher Partner bei der Zeitmessung hat sich die Marke im Motorsport über viele Jahrzehnte hinweg einen Namen gemacht. Zur Geschichte von Tag Heuer gehören großartige Modelle wie die Monaco oder auch die ikonische Carrera, was keinen Zweifel daran lässt, welche Bedeutung der Hersteller in der Uhrenindustrie inne hat. Und doch ließen mich die aktuellen Zeitmesser der zur LVMH Gruppe gehörenden Manufaktur irgendwie immer kalt. Das lag nicht an der Qualität, sondern viel mehr daran, dass mir die Emotionen fehlten. Mit dem Carrera Chronographen Glassbox (Ref: CBS2210.FC6534) hat sich das nun grundlegend geändert. Diese Uhr ist vielleicht die beste Tag Heuer seit vielen Jahren. Warum? Das schauen wir uns jetzt im Review an!
Lehrstunde: Zahlen, Daten und Fakten
Uhrwerk
Werk: Automatik
Kaliber: TH20-00
Gangreserve: 80 Stunden
Funktionen: Chronograph
Kalender: Datum
Gehäuse
Material: Edelstahl
Durchmesser: 39 mm
Dicke: 13,5 mm
Gehäuseboden: Glasboden
Wasserdichtigkeit: 100 Meter
Glas: gewölbtes Saphirglas
Farbe: schwarz
Stundenskala: Indizes
Zeigermaterial: Edelstahl
Zeigerfarbe: silber
Material: Leder
Farbe: schwarz
Anstoßbreite: 18 mm
Schließe: Faltschließe
Zeitreise: Die Geschichte des Tag Heuer Carrera Chronographen Glassbox
Der Tag Heuer Carrera Chronograph Glassbox markiert einen besonderen Meilenstein in der Geschichte dieser legendären Kollektion. Anlässlich des 60. Geburtstages der Carrera, den die Uhr 2023 feierte, hat der Hersteller das Vintage inspirierte Modell auf den Markt gebracht. Angelehnt ist es an eine exklusive Referenz aus den 1960er-Jahren. Der Carrera Chronograph Reverse Panda 2447 NS gilt als eine der seltensten Uhren dieser Linie, da sie nur über einen kurzen Zeitraum hinweg und in streng limitierter Auflage hergestellt wurde.
Wer eines der Originalmodelle sein Eigenen nennen möchte, muss heute tief in die Tasche greifen. Die wenigen noch erhaltenen Zeitmesser von damals kosten in der Regel über 15.000,00 Euro und sind begehrte Sammlerstücke. Gerne hätte ich dir an dieser Stelle ein Foto gezeigt, doch aus bildrechtlichen Gründen ist das leider nicht möglich. Die Google-Suche zu bemühen, lohnt sich hier aber in jedem Fall. Das Original und die Neuauflage sehen sich zum verwechseln ähnlich. Lediglich die Größe hat Tag Heuer dem heutigen Standard angepasst. Während die 2447 NS einen Durchmesser von 35,5 Millimetern hatte, misst das 2023er-Modell 39 Millimeter. Zu den Proportionen aber später mehr.
Augenblick: Design und Verarbeitung
Beim Design hat Tag Heuer glücklicherweise keine Experimente gewagt und legt mit dieser Carrera stattdessen einen Racing Chronographen vor, der klassischer kaum sein könnte. Beginnen wir beim Zifferblatt im Reverse Panda Stil, das sich in mattschwarz und mit drei silberfarbenen Totalisatoren auf 3 Uhr, 6 Uhr und 9 Uhr präsentiert. So entsteht ein schöner Kontrast, der von den ebenfalls silbernen und applizierten Indizes erneut aufgegriffen wird. Während die in weiß gehaltene Minuterie eine Ebene höher liegt und sich zum Glas hin nach oben neigt, sind die Hilfszifferblätter eine Ebene tiefer platziert und weisen eine detailreiche Schallplattenstruktur auf. Die für einen Racing Chronographen obligatorische Tachymeterskala befindet sich so dicht unter dem wunderschön gewölbten Saphirglas, dass sie fast schon die Wirkung einer Gravur erzeugt und in Kombination mit dem Kristall wie eine Einheit erscheint.
Ein zugleich äußerst seltener und charismatischer Eyecatcher ist das Datumsfenster auf 12 Uhr. Die Komplikation, die bei modernen Zeitmessern heute zumeist auf 3 Uhr oder 6 Uhr zu finden ist, unterstreicht mit ihrer außergewöhnlichen Positionierung nachdrücklich den Vintage-Charme der Tag Heuer Carrera Chronograph Glassbox. Doch das ist noch nicht alles: Wer ganz genau hinschaut, der entdeckt die dezente und künstlich gealterte Leuchtmasse, mit der die Zeiger und Dots vor den Stundenmarkierungen ausgestattet sind. Tag Heuer hat hier Fingerspitzengefühl und ein solch hohes Maß an Liebe zum Detail bewiesen, dass ich ins Schwärmen gerate. Besser kann man es schlicht nicht machen.
Das 39 Millimeter Edelstahlgehäuse zeichnet sich durch eine puristische Anmutung aus. Während die Flächen der Oberseite auffällig breit und poliert sind, setzt der Hersteller bei den Flanken auf eine horizontale Satinierung. Eine polierte Phase gibt es nicht und auch auf sonstige verspielte Elemente verzichtet Tag Heuer beim Gehäuse komplett. Dafür kann der Carrera Chronograph Glassbox mit schön gestalteten Drückern punkten, die auf der Vorderseite einen kreisrunden Schliff aufweisen. Passend zum Racing-Look spendiert der Hersteller der Uhr darüber hinaus ein schwarzes Lederarmband mit Loch-Design. Die Krone mit dem gravierten Markenlogo im Relief rundet die Komposition ab.
Die Verarbeitungsqualität der Tag Heuer Carrera Chronograph Glassbox ist gut. Wenngleich das Finish der Uhr als schlicht bezeichnet werden darf, gibt es aus meiner Sicht nichts zu beanstanden. Unter dem Macroobjektiv sind mir keine Unregelmäßigkeiten aufgefallen. Jedes Detail macht einen hochwertigen Eindruck und bleibt in keinster Weise hinter den Erwartungen an eine Luxusuhr aus der Schweiz zurück. Tag Heuer hat hier einen großartigen Job gemacht und einen Zeitmesser geschaffen, der, um in der Sprache des Motorsports zu bleiben, in seiner Preisklasse ein heißer Anwärter auf die Pole Position ist. Erhältlich ist der Carrera Chronograph Glassbox in schwarz und blau.
Unruhstiftung: Das Werk des Tag Heuer Carrera Chronographen Glassbox
Der Tag Heuer Carrera Chronograph Glassbox verfügt über einen offenen Gehäuseboden, unter dem das automatische Manufakturkaliber TH20-00 mit skelettiertem Rotor seinen Dienst verrichtet. Mit 28.800 Halbschwingungen pro Stunde und wochenendsicheren 80 Stunden Gangreserve ist es State of the Art und lässt technisch keine Wünsche offen. Das TH20-00 stellt eine Überarbeitung des altbekannten Heuer 02 dar. Von diesem unterscheidet es sich unter anderem durch eine Schwungmasse mit bidirektionalem Aufzug.
Was sich nach einer Raketenwissenschaft anhört, bedeutet letztendlich aber nichts anderes, als dass sich die Zugfeder dieses Werkes im Gegensatz zu anderen auflädt, wenn der Rotor gegen und mit dem Uhrzeigersinn schwingt. Tag Heuer ist auf diese Weiterentwicklung scheinbar sehr stolz, hat sie doch auch einen Einfluss auf die Präzision der Uhr. So kann im Alltag ein schneller und permanenter Aufzug garantiert werden, der das Modell näher an die maximale Gangreserve von 80 Stunden heranführt. Die Zeit wird dank der konstant hohen Kraft schlussendlich genauer angezeigt.
U(h)rgefühl: So trägt sich der Tag Heuer Carrera Chronograph Glassbox
Trotz ihrer Höhe von 13,5 Millimetern fühlt sich die Tag Heuer Carrera Chronograph Glassbox durch ihren kompakten Durchmesser und ihre kurzen Hörner großartig am Handgelenk an. Normalerweise bin ich geradezu allergisch gegen Uhren, die eine zu extreme Bauhöhe aufweisen. Deshalb hat mich der enorme Komfort dieses Zeitmessers tatsächlich beeindruckt. Zumal der Hersteller sich gar nicht erst bemüht, die etwas pummelige Silhouette durch schmale Flanken bzw. einen tiefer liegenden Gehäuseboden zu kaschieren. Hinzu kommt außerdem noch das gewölbte Saphirglas, das ebenfalls Millimeter kostet. Trotzdem verschwindet die Tag Heuer Carrera Chronograph Glassbox wie von Zauberhand unter dem Ärmel eines Pullovers und auch den meisten Hemdmanschetten.
Zum positiven Tragegefühl trägt in meinen Augen auch das weiche Kalbslederarmband bei, das sich wunderbar an das Handgelenk schmiegt. Durch die massive Faltschließe lässt es sich kinderleicht über die Löcher und einen Dorn an den individuellen HGU anpassen. Der überflüssige Armbandteil legt sich schlussendlich innen unter das Band und fällt nicht weiter ins Gewicht. Bravo, Tag Heuer! Lediglich auf ein Schnellbandwechselsystem musst du bei diesem Zeitmesser verzichten. Dafür sammelt der Racing Chrono bei der Bedienung weitere Pluspunkte und überzeugt auch durch eine Wasserdichtigkeit von 100 Metern auf ganzer Linie. Die nicht verschraubte Krone lässt sich zudem sehr gut greifen und gibt eine angenehme Rückmeldung beim Stellen der Uhrzeit. Das Datum schaltet butterweich, während die Pusher einen satten Druckpunkt haben und ein Gefühl für die dahinter liegende Mechanik vermitteln.
-4/+6 Sekunden: Meine Meinung zum Tag Heuer Carrera Chronographen Glassbox
Ganz zu Anfang habe ich geschrieben, dass ich kein großer Fan von Tag Heuer bin. Dabei stimmt das eigentlich gar nicht, denn ich bin nur kein Fan von der Markenpolitik, die der Hersteller seit einigen Jahren fährt. In meinen Augen ist Tag Heuer oft der kleinste gemeinsame Nenner von Hublot und Zenith, zwei Uhrenmanufakturen, die ebenfalls zur LVMH Gruppe gehören. Das Resultat dieser Positionierung wird dann in Modellen deutlich, die technisch und haptisch erstklassig und trotzdem nicht Tag Heuer like sind. Beispiele dafür: der skelettierte Carrera Chronograph oder aber der Carrera GMT Chronograph. Sich bei beiden Uhren ein Zenith-Logo auf dem Zifferblatt vorzustellen, ist glaube ich nicht allzu schwer. So verwässert Tag Heuer ohne Not die eigene Markenidentität. Genau das stimmt mich nachdenklich, denn die Uhrenmanufaktur hat eigentlich so viel zu bieten!
Umso schöner, dass der Carrera Chronograph Glassbox in dieser Hinsicht ein echter Lichtblick ist. Der Zeitmesser spiegelt Tag Heuer in Reinkultur wieder. Ein schlichter, aber wunderschöner Chronograph, der untrennbar mit dem Motorsport und somit auch der Markengeschichte verbunden ist. Authentizität beweist die Uhr auch bei den Proportionen des Gehäuses, das mit 39 Millimetern im Durchmesser nahe dem Original ist. Bei Tag Heuer sind kompakte Uhren jedoch leider eine Seltenheit. Die klassische Carrera Calibre 02 hat einen Durchmesser von 44 Millimetern und eine Höhe von über 15 Millimetern. Warum? Wo doch der Trend schon seit einigen Jahren hin zu kleineren Uhren geht! Alles in allem bin ich der Meinung, dass wir Uhrensammler uns nie nur für (oder gegen) ein bestimmtes Modell entscheiden, sondern immer auch für (oder gegen) die Wahrnehmung der Marke.
Tag Heuer hat hier in Sachen Geschichte ein unglaubliches Potenzial, das bislang, einmal abgesehen von der Monaco und nun auch der Carrera, kaum ausgeschöpft wird. Zenith macht genau das und hat mit den Defy Revival und den Chronomaster Revival Modellen tolle Re-Issues auf den Markt gebracht. Wenn man sich schon an dieser Marke orientiert, dann doch bitte genauso. Es wäre ein Traum, wenn Tag Heuer Neuauflagen der Monza oder gar der Camaro vorstellen und diese als permanente Kollektionen führen würde. Beide Modelle stehen für typische 60er- bzw. 70er-Jahre Designs und haben einen tragbaren Durchmesser. Die Urmodelle der Monza und der Camaro stammten aus einer Zeit, in der Tag Heuer noch unter dem schlichten Namen Heuer firmierte, da der Zusammenschluss mit der TAG-Gruppe erst 1985 geschah. Aus dieser Epoche entsprang übrigens auch der Carrera Chronograph Reverse Panda 2447 NS, der als Vorbild der Glassbox fungiert. Der erste Schritt in die richtige Richtung ist somit gemacht!
Wie gefällt dir der Tag Heuer Carrera Chronograph Glassbox und stimmst du meiner Einschätzung zur Markenpolitik generell zu? Teile deine Meinung mit der ALTHERR Community und mir unter diesem Beitrag in den Kommentaren. Ich freue mich dort von dir zu lesen. Wenn du eine Uhr von Tag Heuer selbst einmal am Handgelenk erleben möchtest, dann schicke uns einfach eine Email an [email protected]. Die Kolleginnen und Kollegen in Köln beraten dich gerne persönlich.
Luca Cordes
Kannst du dich noch an deine allererste Armbanduhr erinnern? Bei mir war es eine Scout mit einem wunderschönen blauen Zifferblatt. Ich war vielleicht zwölf oder 13 Jahre alt und liebte diese Uhr. Ich trug sie immer und zu jedem Anlass – bis sie mir während des Sportunterrichts gestohlen wurde. Vielleicht ist in genau diesem Verlust meine spätere Leidenschaft für das Sammeln von mechanischen Uhren begründet. Doch genug mit den Geschichten aus meiner traurigen Kindheit ;-)
Mein Name ist Luca Cordes, ich bin 31 Jahre alt, komme ursprünglich aus Nordrhein-Westfalen und lebe seit mittlerweile mehr als sieben Jahren in Berlin. Hier arbeite ich als Business Ghostwriter, Medientrainer, Autor und Berater. Bei ALTHERR bin ich für den Bereich „Text“ verantwortlich und werde dich ab sofort mit erstklassigen Inhalten rund um die Welt der Uhren versorgen. Jede Woche kannst du dich auf Neuvorstellungen, Reviews und viele weitere spannende Themen im ALTHERR Magazin freuen.
Weißt du, worüber ich mich freuen würde? Wenn du einen Kommentar unter meinen Beiträgen hinterlässt, wir in den Austausch treten und auch hier den sowieso schon starken Community-Gedanken von ALTHERR fortführen! Ich empfinde es als großes Glück, unsere Begeisterung für Luxusuhren gemeinsam ausleben zu können. Und wie sagte einst schon der Philosoph Albert Schweitzer: „Glück ist das Einzige, das sich verdoppelt, wenn man es teilt.“
In diesem Sinne freue ich mich von dir zu lesen!
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Dein Luca