Spricht man über die Heilige Dreifaltigkeit oder auch die Großen Drei, meint man drei Marken, die der Schweizerischen Uhrmacherei allesamt nachhaltig ihren Stempel aufgedrückt haben. Die Hersteller führen Zeit ihres Bestehens das Rudel an, setzen stetig Maßstäbe und glänzen durch die Vereinigung von Traditonsreichtum und zeitgemäßem Fortschritt. Sie sind zum Inbegriff von Luxus und feinem Handwerk geworden.
Vacheron Constantin
Heute mit lediglich etwa 400 direkten Beschäftigten und nur knapp über 1200 Mitarbeiter:innen weltweit ist Vacheron Constantin die älteste ununterbrochen tätige Uhrenmanufaktur der Welt. Im Jahre 1755 gründete der Meisteruhrmacher Jean-Marc Vacheron gemeinsam mit einem Lehrling eine Meisterwerkstatt. Sein selbsterklärtes Ziel war es, seine Fähigkeiten und sein Geschick weiterzugeben. Als Cabinotier – per Definition ein Genfer Zuarbeiter der Uhrenindustrie – war er derart erfolgreich, dass er sich schnell auch über die Landesgrenzen hinaus einen guten Namen erarbeiten konnte. So war Jean-Marcs Sohn Abraham Vacheron bis zum Ausbruch der französischen Revolution im Jahre 1789 der Uhrmacher des französischen Adels.
Der nächste Familienerbe, welcher die Führung des Betriebes übernahm, war Jacques-Barthélemy Vacheron. Dieser übernahm die Manufaktur im Jahre 1810. Unter Jacques Barthélemy erblickten neuartige Komplikationen das Licht der Welt, so beispielsweise Musikuhren mit verschiedenen Klängen. Zudem lieferte Vacheron die ersten Uhren in die Nachbarländer Italien und Frankreich. Auch die Verwendung und Verarbeitung von Emaille und Guillochierung prägten die Zeitmesser. Als François Constantin 1819 zu Vacheron stieß, änderte sich der Name des Unternehmens erstmalig in Vacheron & Constantin. Der fleißige und engagierte Geschäftsmann Constantin reiste durch Europa und erschloß zahlreiche Märkte, sodass der Name schnell einen hohen Bekanntheitsgrad erlangen konnte. Auch fand sich in einem Brief von Constantin an Vacheron der Satz „Es wenn möglich immer besser machen – und das ist immer möglich“, heute das Motto von Vacheron Constantin. Das Malteserkreuz-Logo etablierte sich jedoch erst im Jahre 1880. Bereits im Jahre 1830 wurden die ersten Standorte in den USA eröffnet.
Mit dem Eintritt von Entwickler Georges Auguste Leschot in den Betrieb wurde ein neues Kapitel in der Firmengeschichte aufgeschlagen. Als technischer Direktor entwickelte und baute Leschot erstmalig eigene Maschinen, welche die Serienproduktion von Uhrenteilen ermöglichten. So konnten defekte Teile baugleich ausgetauscht und Uhren in großer Zahl fabriziert werden.
Trotz dessen lag das Augenmerk der Produktion nach wie vor auf Handarbeit. In dieser Kombination erzielte Vacheron hervorragende Ergebnisse mit einer ausgewogenen Mischung aus maschineller Präzision für die Teilfertigung und Veredelung von Hand.
In den folgenden Jahren fertigte Vacheron Constantin zunehmend komplexere Taschenuhren, welche sich einer großen Beliebtheit erfreuten. So waren König Fuoad und König Faruk bekannte adlige Erwerber.
1938 markierte ein wichtiges Jahr für das Unternehmen. Der erste Vertrag mit Jaeger-LeCoultre wurde geknüpft, welche Vacheron Constantin fortan mit Rohuhrwerken belieferten (wie außerdem beispielsweise auch Audemars Piguet). Im Jahre 1944 fand das Kaliber JLC903 als VC003 platz in einer Uhr von Vacheron Constantin. Es war das flachste Armbanduhrwerk der Welt. In der Zukunft – welche aufgrund der Weltkriegsfolgen und der sich anschließenden Quarzkrise keine leichte für die Schweizer Uhrenindustrie war – wurden einige Wechsel innerhalb der Führungsetage und der Besitzer vollzogen. Blicken wir in die Zukunft, gehört VC beispielsweise seit dem Jahre 1996 zur Véndome Luxury Group, welche heute Richemont ist.
Zur Feier des 222-jährigen Jubiläums im Jahre 1977 wurde die heute berühmte Vacheron Constantin 222 lanciert. Ein Monoblock-Gehäuse und ein integriertes Armband machten diesen Zeitmesser aus Edelstahl zu einem Volltreffer, welcher exakt mit der Zeit ging und die Vorlage für eine von Vacherons Flagschiffkollektionen heutzutage darstellt: Die Overseas, welche im Jahre 1996 vorgestellt wurde. Schöpfer dieser 222 war jedoch nicht Gerald Genta (wie es bei ähnlichen Modellen von Patek Philippe und Audemars Piguet der Fall war), sondern Jörg Hysek, ein Berliner, welcher unter anderem für Rolex, Breguet, Cartier, Omega, Tiffany oder TAG Heuer gearbeitet hatte. Darüber hinaus war und ist Vacheron Constantin bekannt für feinste Uhrmacherkunst innerhalb eleganter und filigraner Armbanduhren, welche auch heute einen signifikanten Stellenwert innerhalb des Portfolios innehaben. Ikonische Designs und gehobenste Komplikationen finden sich hier.
Auch scheut das Unternehmen nicht, mit Konventionen und Elementen zu brechen und zu spielen und bewahrt trotzdem immer den Geist und die Essenz höchster Uhrmacherkunst. Beispiele für diese Art Zeitmesser sind unter anderem die Mercator, welche über retrograd arbeitende Zeiger verfügt, die über ein Blatt aus Emaille gleiten, oder die Modelle der Historiques American 1921 Kollektion. Bekannt ist das Haus für die exzessive Verwendung von Edelmetallen, Kunstwerken aus Emaille oder handbemalte Zifferblätter. Die Zurschaustellung der Uhrwerke und deren Komplikationen durch großzügige Skelettierungen ist ebenfalls nahezu unerreicht innerhalb der Industrie. Die Abteilung Les Cabinotiers ist eigens exklusiv für die Umsetzung von Individualwünschen und High-Complications zuständig. Die Uhren von Vacheron Constantin verfügen zudem nahezu alle über die sogenannte Genfer Punze, ein Gütesiegel, welches Herkunft, Qualität, Beständigkeit und Savoir-faire bescheinigt und nur Zeitmesser zieren darf, welche vollständig innerhalb des Kantons Genf entworfen, gebaut, gefertigt, montiert, reguliert und handveredelt wurden – dies betrifft das Uhrwerk und auch die vollständige Uhr an sich.
2005 feierten Vacheron Constantin ihren 250. Jahrestag und sind damit die älteste Uhrenmanufaktur auf der Welt, welche ohne eine Unterbrechung im Geschäft war. Der Hauptsitz der Firma befindet sich in Plan-les-Ouates in Schweizer Kanton Genf. In der kürzesten Vergangenheit eher im öffentlichen Schatten der anderen beiden Mitstreiter der Holy Trinity, erfährt insbesondere die Overseas Kollektion aktuell (Stand 2022) eine enorme Beliebtheit und erfreut sich einer schier nicht zu erfüllenden Nachfrage.
Severin Giesswein
Severin Giesswein ist seit Frühjahr 2020 als freier Mitarbeiter für ALTHERR tätig. Hauptberuflich in der Medizin beschäftigt, verfasst er in regelmäßigen Intervallen den ALTHERR Sekundenstopp – eine Übersicht über alle Neuigkeiten der Uhrenindustrie und moderiert als Host die zugehörige ALTHERR Sprechstunde live auf YouTube. Seine Begeisterung für Armbanduhren teilt er zudem auf Instagram unter @derwerkstudent.