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Komplikationen – Die Funktionen einer Armbanduhr

January 22, 2024 | Lesedauer: 9 Minuten
Autor: Severin Giesswein | 0 Kommentare | oacsspl

Hallo zusammen und willkommen zurück, zu einer weiteren Ausgabe der sechsteiligen Reihe „Zum Uhrenkenner in sechs Schritten“. In jeder der Ausgaben lernt ihr das, was ihr wissen müsst, um Schritt für Schritt in die spannende Materie der Luxusuhren einzutauchen.

Am Ende seid ihr über Geschichten, Marken, Komplikationen, Arten von Uhren und die Philosophien des Sammelns bestens informiert. Deswegen empfehle ich euch unbedingt, die vorhergegangenen Ausgaben zu lesen und wünsche euch nun viel Spaß.

Komplikationen - Funktionen für die Armbanduhr

Was ich an Armbanduhren so schätze, ist ihre unglaubliche Vielseitigkeit. Eine jede Uhr hat ihre Funktion, ihre Berechtigung und ihren ganz eigenen Charakter. Bei manchen Modellen liegt dieser Charakter in der Einfachheit, der Eleganz, den subtilen Details in der Verarbeitung, die nur auf den zweiten und dritten Blick erkennbar sind.

Andere Modelle werden von ihren Zusatzfunktionen getragen. Aufwendig von Uhrmachermeistern und -meisterinnen und kreativen Köpfen erdacht, treiben ausgeklügelte Mechanismen sogenannte Komplikationen an. Schließlich benötigt jede zusätzliche Funktion mehr mechanische Energie, als das schlichte Antreiben der Zeiger es tut. 

Diese ermöglichen uns komplizierte Dinge, wie zusätzliche Zeitzonen anzuzeigen, Zeiten zu stoppen, uns wecken zu lassen oder die exakte Phase des Mondes innerhalb seines Zyklus zu bestimmen. Aber auch scheinbar einfache Dinge, wie ein Datum oder eine Gangreserveanzeige sind Komplikationen, die uns im Alltag von Nutzen sein können.

Beginnen wir also mit einigen Basis-Komplikationen und solchen, die man häufig innerhalb von Armbanduhren findet

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Die Datumsanzeige

Viele Menschen betrachten die Datumskomplikation nicht als wirkliche Komplikation. Dies liegt daran, dass sie so häufig vertreten ist und ein Datumsfenster fast wie selbstverständlich zur Optik und zum Design eines Zifferblattes gehört. Jedoch ist es interessant zu wissen, dass damals sogar der Sekundenzeiger als Komplikation betrachtet wurde, denn schließlich ist per Definition all das eine Komplikation, was Funktionen über das Anzeigen der aktuellen Uhrzeit heraus ermöglicht.

Aber ja: Auch ein vermeintlich einfaches Datum macht ein Uhrwerk komplizierter – und deswegen ist das Datum auch eine Komplikation und verdient eine Nennung in dieser Liste.

Die beliebteste Form der Darstellung ist durch eine rotierende Datumsschreibe unterhalb des Zifferblattes, welche mit den entsprechenden Zahlen bedruckt ist. Die Platzierung der nötigen Öffnung  – des Datumsfensters – liegt ganz im Sinne und Ermessen der Designer. Zumeist findet es sich auf drei Uhr (z.B. Rolex Submariner) oder auf sechs Uhr (z.B. Omega Seamaster Aqua Terra). Aber auch andere Positionen sind möglich und hängen von den übrigen dargestellten Komplikationen ab (z.B. Zenith Chronomaster Sport). Wird lediglich das tagesaktuelle Datum angezeigt, spricht man von einem einfachen Datum.

Eine Schippe an Praktikabilität legt das Tages-Datum obenauf. Neben dem Datum wird der Wochentag in abgekürzter Form (z.B. TAG Heuer Carrera Day-Date) oder sogar ausgeschrieben (z.B. Rolex Daydate) angezeigt. Wie sich vermuten lässt benötigt diese Ergänzung eine zusätzliche Datumsscheibe.

Insbesondere viele Uhren aus dem deutschen Uhrenmekka Glashütte bieten das Panorama-Datum. Auch Großdatum genannt, zeigt sich das Tagesdatum über zwei parallelgeschaltete Scheiben (z.B. Glashütte Original Senator). Jede Scheibe bildet eine Ziffer ab, so gelangt das Datum zu doppelter Größe. Neben der deutlich besseren Ablesbarkeit ist diese Art der Darstellung in erster Linie ein Traditionsdesign der Uhren aus Sachsen.

Das Datum lässt sich jedoch auch noch auf eine weitere Weise darstellen, nämlich mit Hilfe eines Zeigers, welcher eine auf dem Zifferblatt befindliche Skalierung von 1 bis 31 abläuft (z.B. Oris Big Crown Pointerdate). Das Ganze nennt sich Zeigerdatum und verleiht Zifferblättern eine ganz eigene Romantik.

Zusätzliche Zeitzonen

In einer kosmopolitischen Welt hat sich die Kenntnis über eine zweite oder sogar dritte Zeitzone als erwartet nützlich erwiesen. Ob das Beobachten der Eröffnung der Börse in New York, das zeitversetzte Sportevent in Asien oder die Verabredung zum Telefonieren mit Freunden oder Familie im Ausland – immer im Blick zu haben, wie spät (oder früh) es an anderen Orten diese Welt ist, ist nützlich!

Um uns dies zu gewährleisten, haben sich schlaue Geister Zeitzonenkomplikationen einfallen lassen und diese innerhalb mechanischer Armbanduhren umgesetzt. Beginnen wir mit einer einfachen GMT-Komplikation.

GMT steht für Greenwich Mean Time und war einst die ultimative Referenz für Zeitzonen auf der ganzen Welt. Inzwischen wurde das Konzept jedoch von der UTC (Universal Time Coordinated) abgelöst. Konservative Hersteller bezeichnen deswegen ihre Modelle gerne mit dem Zusatz „GMT“, währen progressivere Hersteller ab und an „UTC“ verwenden.

Es gibt mehrere Möglichkeiten diese Komplikation umzusetzen. Die erste wäre ein Hilfszifferblatt (Totalisator genannt) oder eine rotierende Scheibe, welche die Stunde anzeigt. So zeigt der Hauptzeigersatz die lokalen Stunden und Minuten, während eine unabhängig einstellbare zweite Stunde die Zeit in einem anderen Teil der Welt darstellt. Die Minuten werden mit dem zentralen Minutenzeiger bestimmt. Liest sich die lokale Uhrzeit zum Beispiel 04:17 Uhr und die zusätzliche „Zeitzonen”-Stunde zeigt „6“ an, so ist es 06:17 Uhr am gewünschten Ort. Ein Beispiel wäre hier die IWC Pilot’s Watch UTC Spitfire.

Die zweite und fast ausschließlich verwendete Variante ist ein zusätzlicher Stundenzeiger. Dieser kann unabhängig vom Hauptzeigersatz eigestellt werden und zeigt die Stunde an einem anderen Ort an. Er kann entweder eine Umrundung des Blattes in ebenfalls zwölf Stunden vollziehen und nutzt so die Indizes des Zifferblattes (z.B. Parmigiani Fleurier Tonda PF GMT Rattrapante oder Patek Philippe Aquanaut Traveltime) oder er umläuft das Blatt in 24 Stunden und nutzt eine entsprechend skalierte 24-h-Lünette. So liest man die Ortszeit mit dem regulären Zeigersatz und die gewünschte Zeitzone mit dem GMT-Zeiger gegen die Lünette. Das populärste Beispiel ist hier sicherlich die Rolex GMT Master II.

Man unterscheidet dabei eine „True GMT“ oder auch „Traveler GMT“ bei der sich der Stundenzeiger der Lokalzeit in Stundenschritten verstellen lässt ohne das Uhrwerk zu beeinflussen, von einer „Office GMT“ oder „Home GMT“ bei der sich der GMT-Zeiger in Schritten verstellt, der lokale Stundenzeiger jedoch herkömmlich operiert.

Eine dritte Variante ist die ironischerweise „Poor Man’s GMT“ genannte Möglichkeit auf eine unkomplizierte Uhr eine 12-h-Lünette anzubringen. Diese rotiert man nun manuell und stellt die entsprechende Zeitzone kinderleicht ein. Eine Komplikation ist dies allerdings nicht, da das Uhrwerk keine besonderen Leistungen vollzieht. Aber gerade deshalb ist diese Lösung ungemein praktisch und – namensgebend – kosteneffizient.

Für wahre Kosmopoliten existiert zusätzlich die Weltzeit-Komplikation.

Eine rotierende Scheibe verfügt dabei über alle Zeitzonen dieser Welt. Meist lässt sie sich per Knopfdruck im Uhrzeigersinn bewegen und bietet so die Möglichkeit, den gesamten Globus im Blick zu haben. Diese Art der Darstellung findet sich eindrücklich in der Patek Philippe 5131, der Omega Seamaster Aqua Terra Worldtimer oder der Nomos Zürich.

Diese Uhren sind wesentlich komplizierter zu fertigen und bestechen zudem durch die Darstellung aller Zeitzonen-repräsentierenden Städte dieser Erde, was den Zifferblättern eine einzigartige Optik verleiht.

Breitling Avenger

Der Chronograph

Mit dem Chronographen ist es so eine Sache. Ich war einige Zeit unschlüssig, ob ich ihn in dieser Ausgabe behandeln soll oder ob es sinnhaft wäre, bis zur nächsten Ausgabe – in welcher es sich um gehobenere Komplikationen dreht – zu warten.

Dies hatte den Hintergrund, dass der Chronograph die vielleicht missverstandenste Komplikation überhaupt ist. Sein Mechanismus ist wahnsinnig komplex, sodass nur wenige Hersteller überhaupt ein eigenständiges Chronographen-Uhrwerk im Sortiment haben. Die meisten bedienen sich einem Basiskaliber von der Stange, welches dann im eigenen Hause modifiziert wird.

Spannenderweise ist der Chronograph die nachgefragteste und meistgekaufte Komplikation, die es gibt. Das Aussehen von Chronographen ist markant und eindrücklich, ihre Funktion praktisch und Freude stiftend.

Aus dem Griechischen „chronos“ für „Zeit“ und „grapho“ für „ich schreibe“, bezeichnet ein Chronograph im wesentlichen eine Stoppuhr. Charakteristisch für solche Zeitmesser sind die Gehäuseanatomie mit (meistens) zusätzlichen Drückern neben der Krone und kleine Sub-Zifferblättern (Totalisatoren) und Registern zum Anzeigen der permanenten Sekunde, der Chronographenminute und der Chronographenstunde.

Der Chronographensekundenzeiger ersetzt den zentralen Sekundenzeiger und steht in Nullstellung auf zwölf Uhr, solange der Chronograph nicht betätigt wird. Die fortlaufende, permanente Sekunde wird auf einem kleinen Register angezeigt. Mit einem Chronographen lassen sich nicht nur Zeiten stoppen, sondern mit entsprechend skalierten Lünetten auch Geschwindigkeiten, Distanzen und vieles mehr bestimmen.

Unterschieden wird zwischen Schaltradchronographen, welche die Funktion des Chronographen über ein neun Zähne zählendes Säulenrad steuern (auch Säulenradchronographen) und Nockenschaltwerkchronographen (auch Kulissenchronographen).

Säulenradchronographen gelten als hochwertiger, Schaltwerkchronographen als klassischer. Der wesentliche Unterschied ist bei der Operation der Funktion spürbar. Der Druckpunkt und das Ansprechverhalten eines Säulenradchronographen ist unvergleichlich befriedigend und satt. Ohne Verzögerung – und somit ohne Verlust an Präzision – wird der Chronosekundenzeiger eingekuppelt.

Im Regelfall bedient man die Funktionen solcher Uhren durch zwei Drücker, welche jeweils  über und unter der Krone angebracht sind. Ein Druck auf den Oberen startet die Zeitmessung, ein weiterer stoppt sie. Betätigt man den Unteren, wird der Zeiger auf Null zurückgesetzt.

Eine Variante ist der sogenannte Flyback-Mechanismus, bei dem kein nachträgliches Neustarten erforderlich ist. Mit nur einem Knopfdruck fliegt der Chronographensekundenzeiger auf die Nullposition zurück und startet automatisch von vorne. So lassen sich Zeitintervalle absolut verlustfrei bestimmen.

Manche Hersteller wählen zudem die Möglichkeit des sogenannten Monodrückers. Ein in der Aufzugskrone verborgener Drücker operiert dabei den Chronographen. So bleibt die Optik des Zeitmesser sehr aufgeräumt und unaufgeregt.

Markant ist das Layout der Zifferblätter, welches im Wesentlichen durch die Anordnung der kleinen Sekunde und der Totalisatoren bestimmt ist. Als klassisch gilt der Tricompax mit drei Registern. Aufgeräumt und symmetrisch sind Bicompax-Chronographen mit lediglich zwei Registern. Bei Letzteren wird im Regelfall auf die kleine, permanente Sekunde verzichtet.

Die Mondphase

Bei der Mondphase handelt es sich um eine sehr romantisierte Komplikation. Sie ermöglicht es, Betrachterinnen und Betrachtern die exakte Phase des Mondes (meist über der nördlichen Hemisphäre) am Handgelenk zu betrachten. Die Idee für diese Komplikation stammt aus Zeiten, in welcher die entsprechende Information für Landwirtschaft, Seefahrt und Beurteilung des fortschreitenden Jahres durchaus nützlich war.

Heutzutage hat die Mondphase einen zumeist ästhetisch-romantischen Nutzen innerhalb einer Armbanduhr. Ihre verschiedenen Arten der Ausführung erlauben es den Manufakturen, sich auszudrücken und in Teilen künstlerisch auszuleben.

So dient exquisiten Herstellern beispielsweise tiefblaue Emaille als Firmament, während Goldstaub die Sterne und seltenen Mineralien oder Edelmetalle den Mond darstellen. Kurz um: Eine Mondphasenkomplikation kann eine Armbanduhr enorm aufwerten.

Bildquelle: Longines

Da sie als vornehme Komplikation gilt, finden wir sie zumeist in eleganteren Zeitmessern. Zudem sei gesagt, dass die Fertigung einer Mondphasenkomplikation keineswegs leicht ist. Eine ausgeklügelte Mechanik ist nötig um zu gewährleisten, dass das Gesicht unseres Trabanten stets akkurat dargestellt wird – denn die meisten Mondphasenkomplikationen gehen für mehrere Dekaden – manchmal Jahrhunderte – genau.

Dies sind nur ein paar der Gründe, weshalb sich entsprechende Komplikationen gehäuft in Zeitmessern der höheren Preisklassen findet. Allerdings bieten auch einige Hersteller im unteren bis mittleren Preissegment Uhren mit Mondphasen an. Ein tolles Beispiel ist die oben abgebildete Longines Flagship Heritage Moonphase. So erhält jeder die Möglichkeit in den Genuss einer solchen zu kommen.

Gangreserveanzeige

Die Gangreserveanzeige entstammt ebenfalls einer Zeit, in welcher die Technologisierung noch in weiter Zukunft lag. Oftmals war die kommunale Kirchturmuhr die einzige Referenz, nach welcher Armbanduhren gestellt wurden. Begab man sich nun beispielsweise auf Reisen, musste gewährleistet sein, dass die eigene Taschen- oder Armbanduhr nicht stehenblieb und man so den Überblick über die Zeit verlor.

Eine Gangreserveanzeige schuf dort Abhilfe. Sie indizierte die verbleibende Spannung und somit die Restenergie der Aufzugsfeder. Neigte jene sich dem Ende, bewegte sich der Zeiger der Gangreserveanzeige gen Null – es war also an der Zeit, die Uhr aufzuziehen.

Auch für die Ganggenauigkeit war diese Anzeige von großem Nutzen. Denn die Regeln der Physik wollen es, dass eine vollgespannte Feder ihre Energie schneller abgibt, als eine solche mit wenig Spannung. Die perfekte und gleichmäßige Energieabgabe liegt also irgendwo in der Mitte.

Dank einer Gangreserveanzeige lässt sich also auch die Spannung der Hauptfeder sehr gut und übersichtlich beurteilen.

Ebenfalls interessant sind die unterschiedlichen Arten und Weisen der Darstellung. So ist es der Regelfall, dass sich der Zeiger von „voll“ nach „leer“, ähnlich einer Tanknadel bewegt. Interessanterweise erfolgt jedoch bei sogenannten Marinechronometern die Darstellung genau entgegengesetzt.

Dies hat damit zu tun, dass nicht die verbleibende Energie im Federhaus relevant war, sondern der Zeitpunkt des letzten Aufzugs, da sie für optimale Ganggenauigkeit (siehe oben) alle 24 Stunden aufgezogen werden mussten.

Auch sind die Hersteller flexibel in der Einbindung und Ausrichtung der Komplikation. Finden sie sich meistens auf der Vorderseite des Zifferblattes, so verfügen manche Uhren mit transparentem Gehäuseboden auch über eine Gangreserveanzeige auf der Rückseite.

Longines Hydroconquest
beworbener Magazin-Beitrag

Und damit sind wir am Ende der heutigen Ausgabe. Ich hoffe, dass ihr etwas Spannendes mitnehmen konntet und freue mich schon, wenn ihr auch das nächste Mal wieder dabei seid. Alle heute hier gezeigten Uhren findet ihr hier in unserem Shop. Besucht uns bei Fragen oder Wünschen doch gerne in einer unserer Filialen oder ganz bequem online.

Bis dahin, macht’s gut!

Euer Severin

(Zuvor erschienen im Gentleman-Blog)

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Severin Giesswein

Severin Giesswein ist seit Frühjahr 2020 als freier Mitarbeiter für ALTHERR tätig. Hauptberuflich in der Medizin beschäftigt, verfasst er in regelmäßigen Intervallen den ALTHERR Sekundenstopp – eine Übersicht über alle Neuigkeiten der Uhrenindustrie und moderiert als Host die zugehörige ALTHERR Sprechstunde live auf YouTube. Seine Begeisterung für Armbanduhren teilt er zudem auf Instagram unter @derwerkstudent.

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