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5 Uhren-Mythen, die selbst langjährige Sammler glauben

October 3, 2025 | Lesedauer: 7 Minuten
Autor: Felix Janner | 1 Kommentare | oacsspl

Die Welt der Luxusuhren ist voller faszinierender Geschichten, technischer Innovationen und – wie in jeder Community – auch voller Mythen. Viele dieser Mythen halten sich hartnäckig, werden oft weitergegeben, ohne sie zu hinterfragen, und finden sogar in der Berichterstattung über Uhren ihren Platz.

In diesem Beitrag haben wir uns die Zeit genommen, fünf der verbreitetsten Uhren-Mythen auf den Prüfstand zu stellen. Von der Wasserdichtigkeit bis hin zum Begriff Swiss Made – wir räumen auf mit falschen Annahmen und bringen Licht ins Dunkel. Die Recherche für diesen Beitrag war intensiv, aber auch extrem lehrreich. Bestimmt wirst auch du etwas Neues über unser gemeinsames Hobby lernen.

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1. Mythos: Uhren mit 30m oder 50m Wasserdichtigkeit sind nicht zum Schwimmen geeignet

Dieser Mythos ist vermutlich der am weitesten verbreitete und hält sich mit unglaublicher Hartnäckigkeit. Die landläufige Meinung besagt, dass die angegebene Wasserdichtigkeit in Metern oder Bar nicht die tatsächliche Tiefe widerspiegelt, sondern nur eine abstrakte Kennzahl ist. Die Logik, die oft zitiert wird, lautet: 30m stünden für spritzwassergeschützt, 50m zum Duschen, 100m zum Schwimmen und erst ab 200m sei die Uhr zum Tauchen geeignet.

Breitling Navitimer mit schwarzem Zifferblatt am Edelstahlarmband an einem Handgelenk mit grauem Ärmel getragen vor schwarzem Hintergrund mit Angabe der Wasserdichtigkeit
Bildquelle: ALTHERR

Doch diese Annahmen sind schlichtweg falsch und ignorieren die modernen Standards der Uhrenindustrie. Die tatsächlichen Fakten basieren auf zwei zentralen ISO-Normen. Zum einen legt die ISO 6425 fest, dass eine echte Taucheruhr mindestens eine Wasserdichtigkeit von 100m aufweisen muss. Zum anderen hat die überarbeitete ISO 22810 aus dem Jahr 2010 das Ziel, die verwirrenden Angaben zu vereinheitlichen. Laut dieser Norm muss ein Hersteller, der eine Wasserdichtigkeit in Metern oder Bar angibt, beweisen können, dass die Uhr dieser Tiefe standhält. Ein Bar entspricht dabei 10m Wassertiefe. Das bedeutet: Eine Uhr, auf der 30m Water Resistant steht, ist auch für den statischen Druck in 30 Metern Tiefe ausgelegt.

OMEGA Speedmaster Moonwatch Hesalit mit schwarzem Zifferblatt am Edelstahlarmband liegend vor dem Bild eines Astronauten mit Angabe der Wasserdichtigkeit
Bildquelle: ALTHERR

Aber was ist mit dem dynamischen Druck, der beim Schwimmen entsteht? Viele argumentieren, dass die Bewegung unter Wasser den Druck so stark erhöht, dass eine 30m-Uhr überfordert wäre. Das klingt logisch, ist aber in der Praxis kaum relevant. Eine Uhr müsste sich unter Wasser mit über 50 km/h bewegen, um den Druck um nur ein Bar zu erhöhen. Ein geübter Schwimmer erreicht mit dem Handgelenk Geschwindigkeiten von maximal 10–15 km/h, was einem zusätzlichen Druck von weniger als 0,3 Bar entspricht. Eine 30m-Uhr ist also theoretisch zum Schwimmen geeignet.

Longines Conquest mit grünem Zifferblatt am Edelstahlarmband liegend vor schwarzem Hintergrund mit weißen Schriftzügen und mit Angabe der Wasserdichtigkeit
Bildquelle: ALTHERR

Warum halten sich die Mythen trotzdem? Vor der Überarbeitung der ISO-Norm im Jahr 2010 gab es keine einheitlichen Standards. Hersteller konnten mit ihren Angaben freier umgehen. Auch heute noch sind die Normen nicht verpflichtend, aber sie setzen einen internationalen Maßstab, an dem sich Marken messen lassen müssen. Viele Hersteller, wie z. B. OMEGA oder Longines, bestätigen, dass ihre Uhren der angegebenen Wasserdichtigkeit entsprechen.

Nur wenige, wie Seiko und Breitling, geben aus Garantiegründen vorsichtshalber an, dass 30m-Uhren nur spritzwassergeschützt sind. Unterm Strich: Eine Uhr mit 30m Wasserdichtigkeit ist für den Pool geeignet. Ob wir das mit unserer geliebten Dresswatch wirklich tun, ist eine andere Frage. Emotionen und gesunder Menschenverstand siegen hier meist über die Fakten.

TUDOR Pelagos mit schwarzem Zifferblatt am Edelstahlarmband liegend vor grünem Hintergrund mit Angabe der Wasserdichtigkeit
Bildquelle: ALTHERR

2. Mythos: In einer Manufaktur wird die komplette Uhr gefertigt

Der Begriff Manufaktur ist in der Uhrenwelt ein Qualitätsmerkmal, das oft suggeriert, dass eine Marke jeden einzelnen Bestandteil einer Uhr – vom Werk über das Gehäuse bis hin zum Zifferblatt – selbst herstellt. Doch die Bedeutung des Wortes ist je nach Sprache unterschiedlich und kann zu Verwirrung führen.

Der Ursprung liegt im lateinischen manufactus (“handgefertigt”). Im Englischen ist The Manufacture ein technischer Fachbegriff, der eine hohe vertikale Integration beschreibt. Marken wie Patek Philippe, Jaeger-LeCoultre oder Grand Seiko sind typische Beispiele. Sie entwickeln und fertigen ihre Uhrwerke und oft auch viele weitere Komponenten selbst.

Rückseite der Grand Seiko Evolution 9 SLGB003 Ice Forest mit Blick auf das Spring Drive 9RB2 Kaliber abgebildet vor schwarzem Hintergrund
Bildquelle: ALTHERR

Im Deutschen hingegen ist das Wort Manufaktur stärker emotional und auf die Handwerkskunst bezogen. Es beschreibt eher einen Produktionsstandort, an dem ein hoher Qualitätsanspruch und ein gewisses Maß an Handarbeit im Vordergrund stehen. Marken wie Panerai, IWC oder Breitling werden oft als Manufakturen bezeichnet, obwohl sie auch auf externe oder konzerneigene Zulieferer zurückgreifen.

Die Realität ist, dass selbst die großen “Manufacturers” nicht alles selbst machen. Die Uhrenindustrie war historisch gesehen immer stark arbeitsteilig organisiert, mit spezialisierten Zulieferern für einzelne Komponenten. Die Vorstellung einer Firma, die alles in Perfektion herstellt, ist eher ein modernes Idealbild als die gelebte Praxis. Ausnahmen wie Rolex und Seiko/Grand Seiko sind historisch bedingt: Rolex hat seine Zulieferer über Jahrzehnte hinweg aufgekauft, und Seiko war aufgrund seiner geografischen Isolation in Japan gezwungen, autark zu sein.

Das Seiko Kaliber 6R35 der Seiko Alpinist SPB117 abgebildet vor schwarzem Hintergrund
Bildquelle: ALTHERR

3. Mythos: Inhouse ist immer besser

Dieser Mythos ist eng mit dem vorherigen verwandt. Er besagt, dass ein Manufakturwerk – also ein Werk, das von der Marke selbst hergestellt wird – automatisch besser ist als ein Werk eines Zulieferers. Diese Annahme basiert auf der Beobachtung, dass Marken wie Rolex oder Grand Seiko, die viel inhouse produzieren, auch für ihre hochwertigen Werke bekannt sind. Doch die Wahrheit ist komplexer.

Manufakturwerke sind eher ein Spektrum. Am einen Ende stehen Marken mit maximaler Eigenfertigung, am anderen jene, die auf bewährte Basiswerke von Zulieferern wie ETA oder Sellita setzen. Dazwischen gibt es unzählige Nuancen. Marken wie OMEGA arbeiten eng mit der Konzernschwester ETA zusammen, während Breitling für sein Kaliber B31 zwar eine eigene Entwicklung beansprucht, aber bei der Produktion auf externe Partner wie AMT vertraut.

Uhrwerk wird von zwei Händen mit schwarzen Handschuhen aufgedreht
Bildquelle: ALTHERR

Ein hoher Inhouse-Anteil garantiert nicht automatisch bessere Qualität. Oft sind externe Spezialisten in der Fertigung von Komponenten unschlagbar gut. Zudem sind Werke von renommierten Zulieferern wie ETA, Sellita, Miyota oder Seiko seit Jahrzehnten erprobt, robust und zuverlässig. Sie sind einfacher zu warten und die Ersatzteile sind günstig und weit verbreitet. Ein Service für ein Standard-ETA-Werk kostet oft nur wenige hundert Euro, während ein Manufakturwerk schnell vierstellige Beträge erreichen kann.

Zwar haben Inhouse-Kaliber einen emotionalen Reiz und können technologische Innovationen vorantreiben, aber sie sind nicht per se überlegen. Eine gut veredelte oder modifizierte Version eines Basiswerks kann genauso hochwertig sein wie ein teures Manufakturkaliber. Es kommt nicht darauf an, wer es gemacht hat, sondern wie gut es gemacht wurde.

Breitling Avenger

4. Mythos: Saphirgläser sind grundsätzlich die besten Gläser

Saphirglas gilt als der heilige Gral unter den Uhrengläsern. Es ist extrem kratzfest und wird in der Regel ab einem bestimmten Preisstandard verbaut. Doch ist es immer die beste Wahl?

Nein. Saphirglas ist zwar unglaublich hart, aber genau diese Härte macht es auch spröde und stoßempfindlicher als andere Materialien wie Mineralglas oder Acrylglas (Hesalit). Ein harter Schlag kann ein Saphirglas zum Splittern bringen, während ein flexibleres Acrylglas höchstens Kratzer davonträgt. Diese kleinen Kratzer lassen sich übrigens mit etwas Poliermittel wie Polywatch ganz einfach wieder entfernen.

OMEGA Speedmaster Professional Moonwatch Hesalit Referenz 310.30.42.50.01.001 mit schwarzem Zifferblatt am Edelstahlarmband liegend auf einem Bild von einem Astronauten
Bildquelle: ALTHERR

Im Einstiegssegment sind Saphirgläser oft flach, da eine Wölbung die Produktionskosten stark in die Höhe treibt. Das Ergebnis ist eine industriell wirkende Uhr, die stark reflektiert, da die teure Antireflexbeschichtung oft eingespart wird. Hier können gewölbte Mineral- oder Acrylgläser ästhetisch schöner wirken und eine bessere Ablesbarkeit bieten. Ein perfektes Beispiel ist die Orient Bambino, deren gewölbtes Mineralglas ihr einen einzigartigen Vintage-Charme verleiht.

Selbst im Luxussegment zeigen sich die Nachteile. Die legendäre OMEGA Speedmaster Moonwatch mit ihrem Acrylglas (Hesalit) hat eine wunderschöne Wölbung, die das Zifferblatt klar und ohne Verzerrungen darstellt. Die Saphirglas-Variante hingegen hat eine kantigere Form und bricht das Licht stärker an den Rändern, was das Zifferblatt optisch verzerren kann. Nur sehr aufwendig hergestellte Saphirgläser, wie das der OMEGA First OMEGA in Space, können die Vorteile von Saphir mit der Ästhetik von Hesalit vereinen.

Saphirglas ist also nicht immer die beste Wahl. Insbesondere bei günstigen Uhren oder historisch akkuraten Modellen kann ein anderes Glas die Optik und die Haptik der Uhr erheblich verbessern.

5. Mythos: 60% der Wertschöpfung für "Swiss Made"

Der Begriff Swiss Made steht weltweit für höchste Qualität und Präzision. Der Mythos, dass für diese Bezeichnung einfach nur 60 % der Produktionskosten in der Schweiz anfallen müssen, ist stark vereinfacht und wird oft missverstanden.

Die gesetzliche Grundlage für die Bezeichnung “Swiss Made” ist die Verordnung über die Benutzung des Schweizer Namens für Uhren. Und ja, die 60 % der Herstellungskosten sind ein wichtiger Teil davon. Aber die Verordnung enthält noch viele weitere, entscheidende Kriterien. Zum einen müssen die technische Entwicklung sowie die mechanische Konstruktion und der Prototypenbau in der Schweiz stattfinden.

Uhrwerk wird von einem Uhrmacher eingestellt
Bildquelle: ALTHERR

Außerdem muss das Uhrwerk als schweizerisch gelten und ebenfalls zu 60% der Herstellungskosten in der Schweiz anfallen. Weiterhin muss das Werk in der Schweiz in das Gehäuse eingesetzt und die Endkontrolle dort durchgeführt werden. Schließlich muss der Wert der Schweizer Komponenten mindestens 50 % des Wertes aller Teile ausmachen. Das soll verhindern, dass man einfach billige Teile im Ausland kauft und diese in der Schweiz teuer zusammenbaut.

Uhrwerk wird von einem Uhrmacher eingestellt
Bildquelle: ALTHERR

Hinzu kommt, dass Begriffe wie “Schweiz”, “Schweizerisch” oder das Schweizer Kreuz auf der Uhr geschützt sind. Selbst ein Zulieferer, der ein Schweizer Werk herstellt, darf die Kennzeichnung nur so anbringen, dass der Kunde nicht davon ausgeht, dass die gesamte Uhr aus der Schweiz stammt.

Die Verordnung ist komplex und detailliert, und sie stellt sicher, dass Swiss Made mehr ist als nur ein Marketing-Label. Sie garantiert, dass ein Großteil der Wertschöpfung, des Know-hows und der Handarbeit in der Schweiz stattfindet, auch wenn nicht alles zu 100 % inhouse produziert wird.

Longines Hydroconquest
beworbener Magazin-Beitrag

Fazit: Mehr wissen, besser sammeln

Das Uhrensammeln ist eine unendliche Reise des Entdeckens und Lernens. Die Recherche für dieses Video hat uns wieder einmal gezeigt, wie wichtig es ist, vermeintliche Wahrheiten zu hinterfragen und sich eine fundierte Meinung zu bilden. Wir hoffen, wir konnten mit diesem Beitrag einige eurer fest verankerten Mythen entkräften und euch eine neue Perspektive auf unser gemeinsames Hobby geben.

Welchen dieser Mythen hast du bis jetzt geglaubt? Und gibt es noch weitere Mythen, die man aufklären kann? Schreib es uns unten in die Kommentare!

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Felix Janner

Hey Freunde, ich bin Felix! Meine Reise bei ALTHERR hat im Jahr 2020 als Freelancer begonnen. Angefangen habe ich damit, Artikel für das Magazin zu schreiben sowie den Instagram-Account von ALTHERR zu führen. Mittlerweile habe ich eine Ausbildung im E-Commerce angefangen und meine Aufgaben sind deutlich vielfältiger. Dennoch hält es mich nicht davon ab, hin und wieder mal einen knackigen Artikel für euch zu verfassen.

One comment

  1. Hi Felix,

    Was die WaDi einer Uhr angehet habe ich selber bestimmte Vorstellungen. Und diese liegen bei 10Bar. Dabeigehtes mir nicht darum, dass ich ängstlich bin in Sachen mit der Uhr schwimmen zu gehen, sondern weil ich damit für mich eine Art Sicherheitsgefühl für nahezu jede erdenkliche Situation in die ich kommen kann für mich persönlich abdecken will. Und dazu gehört auch, in den Wintermonaten an Kondenswasser zu denken, das entstehen kann, wenn eine Uhr unterschiedlichen Temperaturen ausgesetzt wird.
    Wie viele wissen, gibt es Firmen die sich auf die Herstellung spezielle Zubehörteile fokussiert haben. Ich denke da zum Beispiel an Dichtungen, die sicher nicht jeder Uhrenhersteller selber produziert. Auch werden viele Bänder egal aus welchem Material oft von Zulieferern hergestellt. Und selbst Gehäuse werden nicht immer durch die Uhrenhersteller selber produziert.
    So ist der gesamte Komplex Inhouse so ein Thema für sich, da sich dies meist auf das reine Werk begrenzt. Und auch ob diese Werke dann soviel besser sind, steht wirklich zur Frage. Das ein Hersteller damit zum Ausdruck bringen möchte, was er kann, steht da für mich außer Frage.
    Bei all den Weiterentwicklungen die es auf der Welt jeden Tag gibt, ist es für mich eine Frage der Zeit, bis auch Saphirglas in Frage gestellt wird. Aktuell scheint es noch die bessere Variante zu sein, aber ich warte nur darauf, dass es einem Hersteller gelingt etwas noch Besseres auf den Markt zu bringen.
    Was die Wertschöpfung Swiss-Made betrifft sehe ich das ähnlich wie das Prädikat Glashütte. Ist jetzt eines der beiden Prädikate für mich auschlaggebend für einen Kauf? Eher nicht. Eine Uhr muss mir gefallen, technisch zusagen und bezahlbar sein. Erst dann zieht eventuell noch eines der beiden Prädikate.

    Beeinflussen mich Mythen beim Kauf? Nein kann ich aus oben genannten Gründen nicht sagen. Denke ich noch oft darüber nach? Nein eigentlich auch nicht. Ich habe bestimmte Ansprüche an eine Uhr und wenn diese erfüllt werden ist für mich die Welt in Ordnung.

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