Im Gespräch mit Swiss-Timing-CEO Alain Zobrist erhalten unsere Leserinnen und Leser einen Monat vor dem Start der Olympischen Spiele in Paris tiefe Einblicke in die Welt der Sportzeitmessung und Innovation. Von der Frage, wer die treibende Kraft hinter neuen Entwicklungen ist, bis hin zu den Herausforderungen der Eingliederung modernster Technologien bei internationalen Sportevents, bietet dieses Interview einen umfassenden Überblick über die Präzision und Leidenschaft, die OMEGA in ihre Arbeit einbringt. Ihr erfährt, wie Innovationen entstehen, welche Rolle Athleten spielen und welche technologischen Entwicklungen die Zukunft der Zeitmessung prägen werden.
ALTHERR: Herr Zobrist, wer initiiert eigentlich Neuentwicklungen? Ist es das Olympische Komitee oder sind es die einzelnen Verbände? Oder sehen Sie und Ihr Unternehmen selbst Verbesserungsmöglichkeiten und setzen diese eigenständig um?
Alain Zobrist: Innovation ist immer Teamwork. Es kann sein, dass unsere Entwickler, die sehr nah an den Technologien arbeiten, Ideen haben, wie diese neuen Technologien in unsere Dienstleistungen eingebracht werden können. Unsere Zeitnehmer, die das Equipment bei 500 Events pro Jahr in 100 verschiedenen Sportarten permanent benutzen, haben ebenfalls ein gutes Gefühl dafür, welche neuen Technologien die Dienstleistungen verbessern können. Wir arbeiten auch sehr eng mit Athleten und Trainern zusammen, die ebenfalls in den Innovationsprozess integriert sind. Die Athleten selbst sind unsere ersten Kunden und geben Feedback sowie Ideen, wie die Technologien weiterentwickelt werden können. Alle Innovationen werden dann durch die internationalen Sportverbände homologiert, das heißt, wir arbeiten auch in der Entwicklungs- und Homologierungsphase eng mit diesen Verbänden zusammen.
ALTHERR: Die Startblöcke werden von der Leichtathletik-WM in Doha zu den Olympischen Spielen nach Paris gebracht. Wenn Sie sagen, die Athleten sind Ihre Erstkunden, müssen diese dann nicht auch mit Ihren Startblöcken trainieren, um zu wissen, wie sie abspringen können? Haben die Sportlerinnen und Sportler dann die gleiche Technologie im Trainingszentrum?
Alain Zobrist: Es ist sehr wichtig, dass alle Innovationen nicht zum ersten Mal bei den Olympischen Spielen benutzt werden. Der gesamte Entwicklungsprozess beginnt viele Jahre vorher und geht von kleinen lokalen Events über nationale zu internationalen Events, wie Weltcups, bis hin zu Weltmeisterschaften und internationalen Großveranstaltungen. Erst dann kommen sie zu Olympia. Während dieser ganzen Zeit haben die Athleten die Möglichkeit, mit den neuesten Technologien und Innovationen nicht nur Wettkämpfe zu bestreiten, sondern auch Zugang zu diesen Technologien zu erhalten. Wenn ein Athlet einen Startblock kaufen oder im Trainingszentrum die gleiche Technologie wie bei Olympia nutzen möchte, arbeiten wir mit diesen Zentren zusammen und stellen das Equipment für Trainingszwecke zur Verfügung.
ALTHERR: Sie haben vorhin auch über die Werte gesprochen, die Sie sich von der klassischen Uhrmacherei von OMEGA bewahrt haben. Könnten Sie das nochmal im Konkreten wiederholen?
Alain Zobrist: Die Werte sind über die Jahrzehnte hinweg dieselben geblieben. Seit 1932, als ein Uhrmacher mit 30 Chronographen von der Schweiz nach Los Angeles reiste, haben sich die Werte von Präzision, Genauigkeit, Liebe zum Detail und die Wichtigkeit, korrekt zu messen, nicht geändert. Diese Werte sorgen dafür, dass wir dem Kunden Emotionen bereiten und sicherstellen, dass korrekt gemessen wird. Das ist immer noch dasselbe wie vor bald 100 Jahren.
ALTHERR: Sie arbeiten auch mit METAS zusammen und tragen die volle Verantwortung für alles, was bei Olympia mit Zeitmessung zu tun hat, Vom Sammeln der Daten bis zur Ausstrahlung im Fernsehen. Gibt es ein externes Kontrollorgan, das Ihre Arbeit überprüft?
Alain Zobrist: Natürlich arbeiten wir nicht alleine. Alles wird immer doppelt und dreifach getestet und homologiert. Wir arbeiten strikt nach Regelwerk, jede Information und jede Einheit, die wir messen, entspricht klar einem Regelwerk, das durch internationale Verbände definiert wurde. Jedes Zeitmessgerät wird durch einen Verband homologiert. Für diesen Prozess stellen wir spezielle Geräte her, die für die Homologation genutzt werden. Einige Geräte können auf dem Millionstel genau messen und haben eine Toleranz von bis zu 23 Nanosekunden alle 24 Stunden. Diese Geräte werden regelmäßig upgedatet und kalibriert. Bei Wettkämpfen werden die Resultate nicht von uns, sondern von speziell trainierten Kampfrichtern der internationalen Verbände validiert. Jeder Schritt wird immer durch Dritte kontrolliert, wir sind also nicht alleine unterwegs.
ALTHERR: Was entwickeln Sie aktuell, das in der entferntesten Zukunft liegen wird? Was wird am weitesten in der Zukunft bei Olympia zu sehen sein?
Alain Zobrist: Viele Geheimnisse kann ich nicht verraten, aber sicher ist, dass wir die Zeitmessung weiterentwickeln werden. Es gibt viele Möglichkeiten, wie die Zeit in Zukunft noch präziser gemessen werden kann. Mit den neuesten Positionierungssystemen und Bewegungssensoren, die Omega seit 2018 benutzt, können wir erklären, was genau in der Zeit passiert, um die unglaublichen Leistungen der Athleten besser zu erklären, anstatt uns nur auf die Endresultate zu fokussieren.
ALTHERR: Sie haben auch erwähnt, dass einige Entwicklungen in Paris noch nicht zu sehen sein werden, aber in den nächsten Jahren. Werden wir diese in den nächsten vier Jahren sehen oder eher in den nächsten acht bis sechzehn Jahren?
Alain Zobrist: Wir haben Innovationspläne, die für die nächsten zehn Jahre reichen. Wir haben bestimmte Vorstellungen, wie sich unsere Dienstleistungen entwickeln werden und nutzen entsprechende Technologien dafür. Alle Technologien werden immer kleiner, die Miniaturisierung der Hardware spielt eine wichtige Rolle, genauso wie künstliche Intelligenz, um das Verständnis der Daten zu verbessern. Automatisierung in Softwarebereichen, die heute noch manuell sind, wird in Zukunft vollautomatisiert sein. Es gibt in vielen Bereichen noch Potenzial zur Verbesserung.
ALTHERR: Beim Broadcasting haben Sie viel getan, um Fehler zu vermeiden. Glauben Sie, dass Entwicklungen wie KI es für den Time Keeper einfacher machen werden? Wird es in der Zukunft präziser und simpler oder komplexer?
Alain Zobrist: Es geht weniger um Komplexität oder Simplizität. Neue Technologien bieten einfach neue Möglichkeiten. Auch heute werden Maschinen von Personen bedient. Mit künstlicher Intelligenz wird es dasselbe sein. Man muss sie trainieren, einstellen und das Output kontrollieren. Die Arbeit wird sich ändern, aber der Bedarf an Personen, die die Systeme kontrollieren und überwachen, bleibt bestehen.
ALTHERR: Zum Schluss, was ist Ihre Lieblingssportart aus Sicht des Timekeeping? Was ist am interessantesten zu messen?
Alain Zobrist: Leichtathletik ist sehr spannend, weil viele Dinge gleichzeitig passieren. Es gibt Läufe auf der Bahn und technische Wettkämpfe, wo Athleten springen oder werfen. Das ist sehr hektisch und das Team muss gut eingespielt sein. Die Datenflüsse müssen technisch perfekt funktionieren, um den Zuschauern und Athleten die Zeiten und Daten schnell und korrekt zur Verfügung zu stellen. Also bleibe ich bei Leichtathletik.
Über Alain Zobrist
Alain Zobrist ist seit dem Jahr 2014 Geschäftsführer von Swiss Timing, einer Abteilung des Schweizer Luxusuhrenherstellers OMEGA. Dieses Unternehmen ist seit 1932 offizieller Zeitnehmer der Olympischen Spiele. Zobrist leitet die komplexen und technologisch fortschrittlichen Entwicklungen und Ausführungen, die erforderlich sind, um Zeit und Leistung der Athleten während der Bewerbe mit extremer Genauigkeit zu messen. Unter seiner Führung hat Swiss Timing mehrere innovative Technologien eingeführt, um die Genauigkeit und Zuverlässigkeit der Sportzeitmessung zu verbessern.
Eine solche Innovation ist das Echtzeit-Tracking-System, das leichte Chips verwendet, um die Geschwindigkeiten und Positionen der Athleten während des Wettkampfs zu messen und zu übertragen. Dieses System liefert detaillierte Leistungsdaten, die nicht nur den Athleten und Trainern zugutekommen, sondern auch das Zuschauererlebnis verbessern.
Die Rolle von Alain Zobrist umfasst eine ständige Zusammenarbeit mit Sportverbänden und kontinuierliche technologische Weiterentwicklungen, um den sich ändernden Anforderungen der Sportzeitmessung gerecht zu werden. Seine Bemühungen stellen sicher, dass OMEGA an der Spitze der Sportzeitmesstechnologie bleibt und seinen Ruf für Präzision und Zuverlässigkeit aufrechterhält
Du willst noch mehr über die Geschichte der Zeitnehmung bei den Olympischen Spielen erfahren? Dann lies Dir zu diesem spannenden Thema unseren ausführlichen Artikel OMEGAS Geschichte und die Verbindung zu Olympia durch!
Harald Saller
Mein Einstieg in die Welt der Uhren verdanke ich einem Film. Als Kind war ich fasziniert von dem actionreichen Streifen "Le Mans" mit Steve McQueen. Dank ihm wurde die Heuer Monaco zu einer Ikone in der Uhrenwelt. Dieses Modell markierte 2009 meinen Einstieg in die Welt der Premium- und Luxusuhren.
In den vergangenen zwei Jahren habe ich mich intensiv mit Uhren, ihren Techniken und Geschichten auseinandergesetzt. Ich schaue vor allem gerne hinter die Kulissen.
Aber was ist eigentlich das Faszinierende an Uhren? Ich könnte jetzt eine lange Liste erstellen, um zu erklären, warum Uhren ein tolles Hobby sind. Letztendlich sind es jedoch die positiven Emotionen, die Armbanduhren in mir auslösen. Als Journalist versuche ich, diese Emotionen in meinen Texten unseren Leserinnen und Lesern näherzubringen.
Spannende Einblicke kurz vor den Olympischen Spielen in Paris.